Mythos Fettverbrennungspuls

veröffentlicht am 08.08.2007
Kaum ein Irrglaube wird von den Fitnesstrainern mehr verbreitet, als der Mythos vom Fettverbrennungspuls. Dieser soll das Mittel schlechthin zum Fettschmelzen sein. Gute Nacht.
Was ist der Fettverbrennungspuls?
In Fitness-Studios, Wellness- und Sportsendungen im Fernsehen oder Artikeln in Sportmagazinen oder sonstigen Zeitschriften ist es leider üblich, dass dem Trainierenden empfohlen oder vorgeschrieben wird, seine Ausdauerleistungen (also z.B. Jogging, Radfahren, etc.) in einem gewissen Pulsbereich auszuführen, der meist in etwa bei 120 bis 130 Herzschlägen pro Minute angegeben wird. Sicherlich kennst Du beispielsweise den Hinweis, man solle beim Jogging in einer Geschwindigkeit laufen, in der noch eine Unterhaltung möglich wäre ohne dabei „aus der Puste zu geraten“.

Die Begründung der Trainer, Kolumnisten und leider manchmal sogar Mediziner für ein solch extensives (also nicht allzu intensives) Training lautet wie folgt:
Jede Sporteinheit benötigt eine gesteigerte Energiebereitstellung. Woher holt der Körper diese Energie? Je nach Intensität der Belastung stehen dem Körper verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung seine Energie durch Verbrennung verschiedener Stoffe zu gewinnen.
Das Prinzip der Energiebereitstellung ist immer dasselbe. Soll Muskelarbeit verrichtet werden, so wird die Energie selbstverständlich direkt in den Muskeln an Ort und Stelle benötigt. Daher befinden sich in den Muskelzellen Stoffe (insbesondere ATP = Adenosintriphosphat), die es ermöglichen durch ihre Spaltung die für die Muskelkontraktion nötige Energie zu liefern. Leider kann ein Muskel immer nur begrenzte Mengen an diesem energiereichen Stoff speichern, so dass dieser ständig neu gewonnen bzw. wiederhergestellt werden muss.
Jetzt kommen unsere Nährstoffe ins Spiel, die ja unsere eigentlichen Energielieferanten sind. Durch Verbrennung der zugeführten Kohlenhydrate und Fette kann der energiereiche Stoff für unsere Muskeln produziert werden.
Da nicht immer eine sofortige Verwertung der zugeführten Nahrung stattfindet, legt der Körper die zugeführten Nährstoffe ab, um später darauf zugreifen zu können. Dabei wird der aus den Kohlenhydraten gewonnen Traubenzucker (Glucose) in der Muskulatur als so genanntes Glykogen abgespeichert, welches bei Bedarf dann schließlich wieder zurück in Traubenzucker gewandelt wird. Dieser Traubenzucker kann dann in der Muskulatur unter Entstehung der gewünschten Energie verbrannt werden.
Zugeführtes Fett wird nur zu einem kleinen Teil in der Muskulatur abgespeichert und zum viel größeren Teil direkt unter der Haut abgelagert (wie jeder gut genährte Mensch selber feststellen kann). Der Fettspeicher ist jedoch um ein Vielfaches größer als der Kohlenhydratspeicher.
Es ist kein Zufall, dass wir zwei verschiedene Formen von Energiespeichern (Anm.: Der dritte energiereiche Stoff, das Eiweiß, sei hier außen vorgestellt. Eiweiß wird zwar unter Umständen auch zur Energiegewinnung herangezogen, besonders wenn die anderen beiden Energiespeicher zur Neige gehen. Jedoch ist Eiweiß hauptsächlich der Baustoff des Körpers, aus dem bspw. Zellen und Enzyme aufgebaut werden.) besitzen, da diese auch unterschiedliche Anwendungen haben :
Je intensiver eine körperliche Belastung ist, desto vorrangiger holt sich der Körper die Energie direkt aus der Glucose bzw. den Glykogenspeichern für die Muskelarbeit. Da dieser Speicher jedoch nicht sehr groß ist, geht er auch relativ schnell zur Neige, so dass lang andauernde intensive körperliche Belastung nicht möglich ist.
Ist die Belastung jedoch nicht so intensiv, so wird bevorzugt Fett verbrannt, um Energie bereitzustellen. Da uns jede Menge Fett zur Verfügung steht, welches verbrannt werden kann, sind auch lang andauernde Belastungen möglich (denke an Extrembelastungen wie sie Marathonläufer aushalten müssen).
Es ist jedoch nicht so, dass jeweils nur Kohlenhydrate oder Fett zur Energiegewinnung herangezogen werden. Je nach Intensität ist nur der Anteil des einen Nährstoffs mehr beteiligt als der andere, allerdings wird weder Fett noch Glucose alleine als Energielieferant benutzt. Vielmehr wird die Energie aus einem Zusammenspiel der beiden Stoffe gewonnen.

Das Argument des schlechten Ratgebers lautet nun, ein Ausdauertraining im moderaten Tempo auszuführen, um somit die Belastung extensiv zu halten, und damit die Energiegewinnung hauptsächlich über die „Fettverbrennung“ zu steuern (je „langsamer“ das Training, desto eher wird Fett anstatt Traubenzucker zur Energiegewinnung benutzt).
Mit anderen Worten ist der relative Anteil der Energiebereitstellung durch Fettverbrennung bei „leichtem“ Training höher als der Anteil der direkten „Glucoseverbrennung“.
Umgekehrt wird der relative Anteil der „Glucoseenergie“ immer größer, je intensiver das Training wird (und somit wird der Anteil des Fettes für die Verbrennung geringer). Die Empfehlung, „langsam“ zu trainieren scheint also zunächst plausibel, da ja anscheinend in diesem Fall vermehrt Fett verbrannt wird, als bei intensiverer Bewegung.

Abgesehen von der Tatsache, dass diese „Fettverbrennung“ nicht mit dem „Fettabbau“ gleichzusetzen ist (und Fettabbau ist ja unser primäres Ziel), lasst mich an einem Beispiel veranschaulichen, warum dieser Ratschlag selbst unter der falschen Annahme „Fettverbrennung = Fettabbau“ vollkommener Unsinn ist.

Du erhältst den Ratschlag von Deinem Trainer, Deine Jogging-Einheit im „Fettverbrennungsbereich“ zu absolvieren. Man gibt Dir vor, anhand Deiner Pulsuhr zu beachten, dass Dein Herz in etwa 120 Schläge pro Minute ausführt. In diesem Intensitätsbereich wird Energie zu etwa drei Viertel, also 75%, aus Fett und zu einem Viertel aus Glucose gewonnen.
Dadurch, dass diese Einheit nicht sehr intensiv ist, nehmen wir an, dass Du in einer halben Stunde etwa 280kcal verbrennen wirst (z.B. langsames Laufen bzw. Jogging mit einer Geschwindigkeit von etwa 8-9km/h bei einem Gewicht von 70kg).
Somit werden also ca. 210kcal (also 75% von 280kcal) aus Fett und 70kcal (25% von 280kcal) aus Glucose gewonnen.

In Deiner nächsten Jogging-Einheit pfeifst Du auf den Rat Deiner Trainers und gehst die Sache intensiver an, indem Du bei einer Herzfrequenz von etwa 150 bis 160 Schlägen pro Minute joggst. Bei dieser Belastungsintensität verschiebt sich der relative Anteil der Energiegewinnung aus Fett und der Körper benutzt nun ungefähr zur Hälfte Glucose und Fett für seine Anstrengungen.
Bei 150 bis 160 Schlägen pro Minute ist der Energieumsatz natürlich höher, da Du schneller laufen musst und somit den Körper stärker forderst. Du verbrauchst in einer halben Stunde bei einem Körpergewicht von 70kg dann etwa 500kcal (Laufen mit etwa 14 km/h). Da die Hälfte der Energie aus der Fettverbrennung hervorging, sollten also ungefähr 250kcal Fett pro Minute herangezogen werden.
Dies sind 40kcal mehr Energie aus Fett als in Deiner langsamen Einheit! Der absolute Anteil an Fett ist in der intensiveren Einheit also wesentlich höher!

Obwohl ich Dir an diesem Beispiel demonstrieren wollte, dass man nicht relativen Anteil und absoluten Anteil der Fettverbrennung verwechseln sollte (relativ gesehen wird beim langsamen Training prozentual anscheinend mehr „Fett verbrannt“ - nämlich zu 75% statt 50% bei der intensiven Variante - aber absolut wird mehr Fett beim intensiven Training „verbrannt“), möchte ich Dich doch noch einmal darauf aufmerksam machen, dass diese Überlegung eigentlich völlig hinfällig ist, da die Fettverbrennung während des Trainings primär gar nichts mit dem Fettabbau, also dem „Abspecken“, zu tun hat!

Um Fett abzubauen ist lediglich auf eine negative Energiebilanz zu achten. Es ist also vollkommen egal, ob der Körper seine Energie direkt aus Traubenzucker oder der Verbrennung von Fettsäuren bezieht. Wichtig ist, dass er überhaupt Energie umsetzt. Und zwar soviel, dass wir am Ende des Tages eine negative Energiebilanz, also ein Kaloriendefizit, erzielt haben. Schauen wir uns nun noch einmal das Beispiel an, so stellen wir fest, dass bei der zweiten, intensiven Trainingseinheit in der gleichen Zeit nahezu doppelt so viel Energie umgesetzt wurde wie bei der ersten!
Woher die Energie kam – ob aus Fett oder Glucose -, ist zweitrangig. Viel wichtiger ist, dass sich der Körper nach dem Training die verbrauchten Kalorien zurückholen muss.

War das jetzt so schwer ;-) ?


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Erfahrungsberichte und Meinungen

Flori am 08.08.2007, 12:59 Uhr

Danke!

Endlich sagt's mal einer.Mir gehen die Trainer in unsrem Studio auch auf den Senkel mit solch dummen "Weisheiten"
Elke am 24.08.2007, 05:39 Uhr

Super

eine tolle Erklärung, die jeder kapiert,
und wirklich einleuchtend
Manni am 15.02.2008, 12:45 Uhr

super

gut zu wissen, dass man bei 160 er Puls immer noch genug verbrennt und nicht gleich umfällt :o)
Fränzi am 06.09.2008, 08:31 Uhr

yes

Bin froh, dass es doch noch recht wissenschaftliche Erklärungen gibt. Bin auch eher Hochfrequenz-Läufer.
Von diesen Fettverbrennungs-"experten" in diversen Foren hört man ständig die Zahl 120-130. Na dann viel Spaß beim Spazieren gehen.
strebl Walter am 18.11.2008, 12:41 Uhr

erklärung

super erklärt !
Jessica am 28.01.2009, 02:26 Uhr

Supi

Ich habe es mir schon gedacht... ich habe einmal so ein "Fettverbrennungstraining" gemacht... ich habe nach einer Stunde gedacht.... und jetzt?? Ich bin gar nicht gefordert worden.... beim nächsten mal habe ich wieder intensiever trainiert, habe zwar nicht ne ganze Stunde durchgehalten, aber habe mich gefordert und besser gefühlt! Irgendwann schaffe ich dann auch so 1 Std. bin ja erst wieder am Anfang meines Trainings.... nach 3 Jahren leerlauf.
stephi am 26.02.2009, 12:35 Uhr

toll

echt toll, wie ihr das erklärt habt!!
bin echt überzeugt!!
aka am 24.04.2009, 04:39 Uhr

Stimme zu

Die in den Fitneßstudios labern nur. Bei Puls 120 kann ich ja gleich vor dem Fern sitzen und nichts tun. Das ist ein Puls von langsamen Spaziergang echt.
Ich nehme auch bei Puls 150 - 160 ab. Die Fettpolsterchen verschwinden und der Körper wird geformt.
Bernd am 20.05.2009, 06:21 Uhr

Naja?!?!

Der Vergleich hinkt sehr stark!
Zum Einen kann man eine intensive Einheit nicht solange ausführen, wie eine Einheit im GA-Bereich. D.h. die fettverbrennung ist doch intensiver, da man länger trainieren kann.
Desweiteren trainiert man sein Audauerverhalten, was noch längere Trainingseinheiten zulässt!
Letztes Argument dagegen: Heißhunger um die Glykogenspeicher aufzufüllen entfällt beim ruhigeren Training und somit die Gefahr zu viel in den Speicher zu packen und den Trainingseffekt zu vernichten!
Randolf am 25.12.2009, 07:51 Uhr

ausprobieren ist angesagt

Wenn du 10 leuten die frage stellst was besser ist , wirst du 10 meinungen zu hören bekommen.
also probierts am besten aus ;-))
Matthias am 20.08.2013, 17:37 Uhr

Wenn der Puls zu ruhig ist, braucht man einfach nur länger für den gleichen Effekt. Kann zum Beispiel sinnvoll beim Rennradeln sein wenn man 5 Stunden unterwegs ist. Haue ich da am Anfang zu sehr in die Pedale halte ich die Zeit gar nicht durch. Mein Ziel ist ein erfrischendes Training zum Beispiel auf dem Ruderergo mit Durchschnittspuls um die 130. Dann rudere ich eine Stunde etwas über 13km und habe natürlich zwischendurch Intervalle drin mit Puls 150 oder 160. Das ist dann richtig geil, und beim Intervall mit 120er Puls ruhe ich mich wieder aus fürs nächste Intervall mit höherem Puls. Da muß jeder sich selbst beobachten und danach handeln. Bei mir war auf jeden Fall ein Effekt des Trainings, daß ich keine Schoko- oder Haribofreßattacken mehr habe, weil ich mich körperlich einfach wohl fühle.